pte20121211020 Unternehmen/Wirtschaft, Politik/Recht

''Eurozone in jetziger Form vermutlich passé''

Steigende Lohnstückkosten Kardinalfehler - Italiens Lage beunruhigend


Akropolis: Wiege der Demokratie unter Druck (Foto: pixelio.de/Manfred Walker)
Akropolis: Wiege der Demokratie unter Druck (Foto: pixelio.de/Manfred Walker)

Wien (pte020/11.12.2012/13:55) Das Zurückkehren auf einen stabilen Wachstumskurs ist für den Euroraum erst ab dem Jahr 2015 realistisch. Auf weitreichende Finanzkrisen wie diese folgt tendenziell ein Anstieg der Staatsschulden. Durch den höheren Verschuldungsgrad wird das Wirtschaftswachstum wiederum nachhaltig belastet. Markus Wiedemann, Geschäftsführender Direktor der Liechtensteinischen Landesbank http://llb.li , rechnet deshalb erst in frühestens zwei Jahren mit konstanten Wachstumszahlen. Für einen Fortbestand der Eurozone in seiner jetzigen Form sieht er trotzdem wenig Chancen. "Länder mit chronischen Wettbewerbs- und Wachstumsproblemen werden wahrscheinlich aus der Währungsunion ausscheiden", erklärt Wiedemann auf Anfrage von pressetext.

Die Krux mit dem Sparen

Die oft zitierten Krisenländer aus dem Mittelmeerraum haben in den vergangenen Monaten und Jahren bereits harte Sparmaßnahmen getroffen. Deutlich wird das am Primärsaldo, also der Differenz zwischen staatlichen Einnahmen und Ausgaben, der jeweiligen Staaten. Dieser hat sich zwischen 2009 und 2012 in Griechenland um 9,7 Prozent der Wirtschaftsleistung erhöht. Italiens Anstieg beträgt in diesem Zeitraum 4,2 Prozent, jener Spaniens sogar 7,2 Prozent. Deutschland liegt in diesem Vergleich bei geringen 1,8 Prozent. Trotz des eingeschlagenen Sparkurses dreht sich die Abwärtsspirale für Athen weiter. Seit Beginn der Rettungsmaßnahmen ist die griechische Wirtschaft um 20 Prozent geschrumpft.

Steuererhöhungen, Ausgabenkürzungen und Personalstreichungen im öffentlichen Sektor erhöhen den Druck bei der Beschäftigung, mit schmerzvollen Auswirkungen auf den Konsum. Für Wiedemann bleibt deshalb ein Auseinanderbrechen des Euroraums das wahrscheinlichste Szenario. Ob sich potenziellen Austrittskandidaten auf eine gemeinsame Währung einigen oder jeder Staat zu seinem ursprünglichen Zahlungsmittel zurückkehrt, wollte der Volkswirt gegenüber pressetext nicht beurteilen. Eine Abwertung ist dann allerdings unumgänglich. Wiedemann schätzt sie auf eine Größenordnung von 40 bis 45 Prozent, um aufgrund der schwachen innerstaatlichen Wirtschaft die nötigen Impulse durch den Export zu schaffen.

Wachstum essentiell

Ganz wesentlicher Faktor bei der Meisterung der Krise und dem Ankurbeln des BIP sind die anfallenden Lohnstückkosten. In den Jahren 2000 bis 2008 sind diese in genau jenen Ländern stark nach oben geklettert, denen die Finanzkrise nun am heftigsten zusetzt. Die Lohnstückkosten galoppierten geradezu davon. Während sie in der deutschen Wirtschaft um 2,7 Prozent zurückgingen, legten sie in Spanien um 30,1 Prozent, in Italien um 26,2 Prozent und in Griechenland um 30,4 Prozent erheblich zu. Griechen und Spanier sind das Problem angegangen. Seit 2009 sind die personalbezogenen Stückkosten dort um 8,8 bzw. 4,3 Prozent gesunken.

Beunruhigend sind die Lohnstückkosten in Italien, wo sie in den vergangenen drei Jahren weiterhin angewachsen sind, um 4,1 Prozent. Der Schuldenstand der sonnigen Apenninenhalbinsel beläuft sich auf rund zwei Bio. Euro (zum Vergleich: Griechenland 343 Mrd. Euro). Gleichzeitig haftet Rom im Rahmen des ESM für mögliche zahlungsunfähige Länder in der Höhe von 125 Mrd. Euro und ist zudem EU-Nettozahler. Die Regierung Monti spart mehr als sie ausgibt und verfügt über einen positiven Primärsaldo, doch der Motor springt nicht an.

Einzig Wachstum könne den Italienern nun weiterhelfen, meint Wiedemann. Der durchschnittliche jährliche Anstieg der italienischen Wirtschaftsleistung seit dem Entritt in die Währungsunion beträgt gerade einmal 0,15 Prozent. Durch die expansive Geldpolitik der EZB kann sich Italien zwar nun zu günstigeren Konditionen Geld leihen, doch ein Vertrauensverlust in die italienische Politik hätte fatale Folgen. Das Land steht bei den kommenden Wahlen im Frühjahr vor einer richtungsweisenden Entscheidung.

Prekärer Arbeitsmarkt

Griechenland und Spanien haben ihre Lohnstückkosten spürbar drücken und demnach ihre Wettbewerbsfähigkeit verbessern können. Der Leidtragende ist dabei jedoch der Arbeitsmarkt. Die Beschäftigungszahlen aus Athen und Madrid sprechen eine eindeutige Sprache. Insbesondere unter jungen Erwerbsfähigen ist der Unmut groß.

Im August dieses Jahres ist die Jugendarbeitslosigkeit in Griechenland bei 55,4 Prozent gelegen, in Spanien bei 52,9 Prozent. Gegenüber den Zahlen von 2008 bedeutet das einen Anstieg von 150 bzw. 120 Prozent. Dies führt auf staatlicher Seite zu Steuerausfällen und mehr Ausgaben bei der Arbeitslosenunterstützung, private Haushalte verlieren enorm an Kaufkraft und die Rezessionsspirale dreht sich weiter. Im Vergleich dazu liegt die Jugendarbeitslosigkeit in Österreich bei 9,7 Prozent.

(Ende)
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